Quantencomputer: ein verlorener Wettlauf?

Über die Entwicklung neuer Technologien und ihre politisch-ökonomischen Auswirkungen.

Technischer Fortschritt ermöglicht stets neue Quantensprünge in Systemen. Aktuell arbeitet die deutsche Bundesregierung daran, im Rahmen des „Handlungs-konzeptes Quantentechnologien“ 3 Mrd Euro zur Entwicklung eines universellen Quantencomputers freizugegeben. Ziel ist das Aufschließen im internationalen Wettbewerb mit Ländern wie den USA und China. Doch wird dieses Investment Deutschlands reichen, um zur Weltspitze zu gehören und die Zweifler der Technologie zu beruhigen?

Als Herman Hollerith 1889 das Patent für die erste elektromechanische Tabulatormaschine erhielt, die 1890 zur Volkszählung der USA eingesetzt wurde, war die Zielsetzung der Maschine, den Prozess der Volkszählung zu automatisieren und zu beschleunigen. Doch sie generierte zusätzlichen Nutzen: die Qualität wurde deutlich verbessert und die Kosten für die Volkszählung 1890 signifikant gesenkt, was zur erhöhten Akzeptanz der neuen Technologie führte. China und der Rest der globalen Welt erkannten die Tragweite der Technologie erst später.

Holleriths Tabulatormaschine war der Startpunkt einer unendlichen und immer schneller werdenden Technologieentwicklung, deren Wirkungstiefe nicht mehr nur auf die Automatisierung von unternehmensinternen Prozessen im Bereich der Commercial-IT als auch der Process-IT beschränkt war. Vielmehr wurden nun zunehmende Auswirkungen auf unternehmensübergreifende Kommunikations- und Fertigungsprozesse, aber auch auf den globalpolitischen Bereich deutlich.

Mit Einführung der Supercomputer wie dem System IBM Summit konnten nachhaltig komplexere Felder und Zielsetzungen erschlossen werden wie beispielsweise die Protein-Faltung in der Chemie, die DNA-Analyse in der Biologie oder die Kollisionsberechnungen in der Automobilindustrie. In Japan gelang es der National Bank of Japan mit Einführung eines Supercomputers die Berechnung des Kreditrisikos von 15 Stunden auf 15 Minuten oder die des Marktrisikos von 8 Stunden auf 4 Minuten zu reduzieren, während Volvo – noch immer führend im Bereich der automobilen Sicherheit – mit der Einführung eines leistungsstarken Superrechners die Zeiten für Crash-Simulationen um bis zu 50%, die Kosten um bis zu 30% senken konnte.

Mit der Vernetzung der aktuellen, leistungsstarken Supercomputer änderte sich auch die Rolle der Informationstechnologie. Spätestens mit der Einführung von Krypto-Systemen wurde deutlich, dass Daten einen signifikant veränderten Stellenwert erhielten und die Währung der Zukunft darstellen; die Informationstechnologie und die damit verbundenen digitalen Services haben sich zu einem politischen Game-Changer entwickelt.

Konsequente Investments In die Zukunft

China erkannte die Tragweite der neuen Technologien frühzeitig und investierte in die jeweiligen Kernfelder. Im Bereich der Quantencomputer hat China mittlerweile eine technologische und politische Schlüsselrolle eingenommen. Und China strebt offen die Leadership der digitalen und disruptiven Technologien wie etwa der Künstlichen Intelligenz und Robotik an, fokussiert aber vor allem die neuen Kommunikations- und Quantentechnologien. Für die finale Umsetzung der „Made in China 2025″-Strategie konzentriert sich die Volksrepublik daher eine stringent umgesetzte Digitalisierungsstrategie.

China hat zudem mit 15,3 Mrd. US-Dollar die höchste öffentliche Finanzierung im Rahmen seines 14. Fünfjahresplans von 2021-2025 vorgesehen, während die Finanzierung der EU 7,2 Mrd. und die USA lediglich 1,9 Mrd. Dollar auf den Tisch legen. Bei privaten Investitionen sieht die Situation allerdings anders aus: Hier halten die USA 49% der privaten Finanzierung, während Großbritannien mit 17% und Kanada mit 14% nachziehen.

Aus technologischer Sicht ist gerade die Leistung der Quantencomputer in Relation zu Supercomputern ausschlaggebend, da erstere signifikant leistungsfähiger sind. Googles Quantencomputer Sycamore konnte eine sehr komplexe Aufgabe innerhalb von 200 Sekunden lösen, für die IBMs Supercomputer Summit rund 10.000 Jahre gebraucht hätte. Allerdings ist hier zu erwähnen, dass Googles Quantencomputer in Annealing-Architektur aufgebaut ist, d.h. nicht so universell einsetzbar wie der Supercomputer.

Trotz der Vielzahl von chinesischen Patenten stammt der derzeit schnellste Quantencomputer in Annealing-Architektur vom kanadischen Unternehmen D-Wave Systems. Sein Quantencomputer „Advantage“ besitzt eine Rechenleistung von mehr als 5.000 Qubits. Für einen universelleren Einsatz, den auch die deutsche Bundesregierung mit ihrem Förderprogramm unterstützt, sind jedoch Quantencomputer in Gate-Architektur erforderlich, die dann ähnlich breitbandig einsetzbar sind wie die heutigen Supercomputer; hier plant IBM für 2025 Systeme mit mehr als 4.000 Qubits. Den kommerziellen Quantencomputer IBM Q System One stellte der US-Konzern im Januar 2019 vor.

Das digitale Gold: Daten,Daten & Daten

Doch es gibt weitere Gründe, warum Quantencomputer für China und die USA bereits in der Vergangenheit von großer Bedeutung waren. Daten und ihre schnellstmögliche Verarbeitung werden als Währung der Zukunft eine entscheidende Rolle im Handelskrieg zwischen der westlichen Welt, insbesondere den USA und China spielen. Während in Europa ethische Fragestellungen die Datennutzung überlagern und die Anwendungen eklatant einschränken, werden der Erfahrungshorizont, die Technologieentwicklungen und die Akzeptanz in der Bevölkerung der First Mover in der Quantentechnologie zu einem noch größeren Wettbewerbsvorteil für die USA und China mit enormen politisch-ökonomischen Auswirkungen.

China strebt seit dem Beginn der 2000er-Jahre die technologische, politische und ökonomische Leadership auch in der westlichen Welt an. Beijing investiert mehr als 900 Mrd. Euro in Infrastrukturprojekte wie die BRI (Belt and Road-Initiative / „Digitale Seidenstraße“), die 2013 durch Xi Jinping verkündet und in der „Made in China 2025″ Strategie konkretisiert wurde. Der Fokus für die verkehrstechnische Erschliessung Eurasiens über Land und zur See und der schnelle Zugang zu neuen Märkten wurde gerade während des Besuchs der deutschen Außenministerin in China mit großem Nachdruck verdeutlicht, da der Handelskrieg mit der westlichen Welt und die resultierende Neuordnung seitdem Ukraine-Krieg Fahrt aufgenommen hat.

Für die erfolgreiche Umsetzung des Handelskrieges im Sinne Chinas strebt die Regierung die Kombination der BRI und des Blockchain-based-Service-Networks (BSN) entlang der digitalen Seidenstraße an. Auch hier sind leistungsstarke, vernetzte Super- und Quantencomputer für das BSN erforderlich. Letztendlich soll auf der Grundlage der BRI-Initiative und eines international gut orchestrierten Netzwerks sowie neuer Schlüsseltechnologien die Entwicklung von Märkten in der Dritten Welt für umfassende Nutzung und Ausbeutung vorhandener Ressourcen Chinas forcieren sowie die westlichen Märkte durch technologische Überlegenheit dominieren.

Von Dr. Diana Kisro- Warnecke und Raymon Deblitz

Fazit: Die Zeit drängt, den Vorteilen einer konsequenten Digitalisierung mit der gebotenen Schnelligkeit und einem ernsthaften Investment in allen Bereichen zu begegnen, um den Wirtschaftsstandort Europa zu stärken. Das Investment von 3 Mrd. Euro der deutschen Bundesregierung ist ein Anfang hierzu; ein europäischer, gemeinsamer Angang, ein belastbares Partnernetzwerk innerhalb einer Wertegemeinschaft und der Abruf jeder im Rahmen dessen zur Verfügung stehenden Digitalisierungskompetenz ist die Basis. Sie ermöglicht – garantiert aber nicht – das Reüssieren, sicherlich jedoch das Aufschließen an die den Takt angebenden Wirtschaftsräume in der alles entscheidenden Jagd um die Führungsposition in der Quantentechnologie.


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